Produkttester
Ausgangslage und Anforderungen
Ich hatte mich entschieden, von meinem alten hässlichen ATX-Mini-Tower zu verabschieden, in dem ich nur mehr schlecht als recht meinen AIO Arctic Liquid Freezer II 240 unterbringen konnte. Dieser soll meinen neuen Ryzen 9 3950x aus zweiter Hand gut kühlen und ein neues Case mit gutem Airflow ist deswegen wichtig und idealerweise eines, welches den mit 38mm Höhe doch recht dicken Arctic Radiator auch Top Mounted im Deckel erlaubt, ohne dass VRM-Kühlkörper oder RAM-Heatspreader im Weg wären.
Die Wahl fiel auf den schicken be quiet! DARK BASE 701 in Weiß mit dem Untertitel Maximaler Airflow und Benutzerfreundlichkeit. Ja, die Farbe Weiß sollte es auch sein: Ein Abschied von dem bisherigen schwarzen Einerlei. Auch muss erwähnt werden, dass das Case weiterhin links von mir stehen und natürlich auch dann noch Einsicht erlauben soll (darauf komme ich noch beim Invertieren des Mainboard-Trays).
Design
Die Farbe und das Design des Be quiet gefallen schon einmal gut, nicht nur auf den ersten Blick. Als maximaler Airflow-Case leiten sich automatische gewisse Materialien und Formgebung ab, wie weniger Glas z. B. in der Front und dafür Metal-Mesh. Der Midi Tower ist jetzt mit 249 mm breiter als bisher und macht schon bei anderen Bewertungen einen "bulligen" Eindruck. Zudem muss ich selbst deutlich mehr Standfläche einplanen. Ansonsten bemüht sich Be quiet! wohl um eine einheitliche Linie über alle Designs Ihrer Produktfamilien, ohne wirkliche Experimente zu wagen. Die Knöpfe und Anschlüsse am Frontpanel wirken gefällig. Einzig die vertikalen aRGB-LED-Strips links und rechts an der Front stechen hervor und sind die einzigen aRGB-Leuchtelemente im Lieferumfang. Etwas stößt auf, dass die Kabelöffnungen seitlich des Mainboards zum Durchstecken der Kabel nach vorne keine Abdeckungen enthalten. So sind eben die Kabel teilweise sichtbar und nicht unbedingt versteckt, gerade wenn diese vertikal verlaufen. Eine Riser-Kabel-Einheit wird scheinbar nicht in der Farbe Weiß angeboten (lediglich Schwarz als PN BGA12) und ist sowieso schon mal gar nicht Teil des Lieferumfangs.
Verarbeitung
Alle Teile waren gut verpackt und geschützt, und das Case und deren Einzelteile sind sehr gut verarbeitet. Das heißt, ich konnte weder scharfe Kanten, nicht entfernten Grat oder andere Verarbeitungsmängel feststellen. Zu Anfang hatte ich ein leichtes Vibrationsproblemchen. Das lag aber einfach am von mir noch nicht wieder angeschraubten Mainboard-Käfig. Im Laufe der ersten Woche gab es jedoch immer mal wieder Vibrationen, die scheinbar mit dem Deckel zusammenhängen, und die werde ich beobachten. Ansonsten gibt es Anti-Vibration-Pads unter dem Netzteil, an den "Silent Wings 4"-Lüftern, Entkopplungsgummis für SSD/HDD sowie weitere verteilte Gummistreifen. Im Vorfeld hatte ich Bewertungen gelesen, dass hier große Spaltmaße beobachtet worden waren. Dies ist bei mir nicht der Fall. Alle Teileübergänge sind bündig und machen einen hochwertigen Eindruck. Aufgrund der weißen Lackierung werden Verschraubungen natürlich schon beim ersten Anziehen eine Spur auf dem Lack des Stahlblechs hinterlassen.
Montage
Die Montage hat wirklich Spaß gemacht und ist durch die Modularität der Einzelteile sehr einfach. So ist die AIO-Wasserkühler-Installation am Oberen Lüfterrahmen im ausgebauten Zustand möglich | bei mir war dies jedoch nicht erforderlich. Die SSDs am Sidepanel werden einfach mit befestigter Schraube in die Entkopplungsgummis gedrückt, alternativ immer noch schraubbar. Das Mainboard kann man komfortabel auf der herausgenommenen und vor einer liegenden Lade montieren. Meine GPU habe ich nicht vertikal installiert und dies auch gar nicht ausprobieren können, mangels GPU-Riser-Kabel im Lieferumfang. Außerdem macht das Handbuch nicht viele Worte und klärt nicht definitiv auf, wie die Riser-Installation bei einem invertierten Mainboard-Tray funktioniert: Denn regulär steht der Fuß auf dem Gehäuseboden, invertiert würde er auf dem Kopf dann wohl am oberen Lüfterrahmen hängen. Ein Produktbild auf der Herstellerseite zeigt immerhin eine solche Konfiguration und mag eventuell ja im Riser-Handbuch beschrieben sein. Meine Double-Slot-GPU hätte eine vertikale Installation immerhin sinnvoll erscheinen lassen, da bei dickeren Drei-Slot-Boliden lediglich ca. 14 mm Abstand (gemessen vom Ende des Slotblechs) zum Seitenfenster einen Kompromiss in Sachen Luftkühlung bedeutete; Wie hoch der Abstand dann vom Lüfter zum Fenster ausfällt, hängt dann von der individuellen Karte und dem Kühlkörper ab.
Auf der Rückseite des Cases gibt es genügend Stauraum und Kabelwege für das Kabelmanagement, das mit beiliegenden Klettbändern geordnet werden kann.
RGB-seitig kommt ein Controller, der zwei aRGB-Stecker anbietet sowie acht PWM-Lüfteranschlüsse. Der Controller lässt sich über das Frontpanel mit je einem Knopf zur Wahl des aRGB-Programms sowie einem Knopf zur Wahl der Lüfterdrehzahl in drei Stufen bedienen.
Leistung
Die Kühlleistung des 701 ist kompromisslos gut, begünstigt durch die breiten 140 mm Kühler, die einen hohen Luftstrom bei niedriger Geräuschkulisse ermöglichen. Hier spielen die neuen SILENT WINGS 4 140mm PWM High-Speed ihre Stärke aus. Nur auf den RGB-Bling-Bling muss man dabei verzichten bzw. selbst nachrüsten. Vorne und unten sind herausziehbare Staubfilter, die zumindest groben Staub filtern. Zu feine Filter würden der "Maximaler Airflow"-Maxime nicht gerecht.
Das Case ist, bis auf den Lüfter nach hinten, konsequent auf 140 mm Lüfteraufnahmen ausgelegt und erlaubt so sowohl einen High-Performance-Build mit hoher thermischer Abwärme als auch einen Normalbetrieb mit moderat laufenden, leisen Lüftern. Mein System konnte es im Torture-Test gut wegkühlen. Für die maximale Leistung wäre ein 420er AIO-Wasserkühler notwendig. Für eine solche Einheit ist das Case allerdings zu klein | maximal werden nur 360 mm unterstützt. Ich habe meine 240mm AIO in Push-Exhaust-Konfiguration im Deckel platziert und für den 38mm-Arctic-Radiator waren bei der invertierten Installation sowieso ausreichend Platz (ebenso beim 280 mm-Format), da die VRM-Heatsinks und RAM-Heatspreader dann nicht im Weg sind. Aber selbst im regulären Layout scheint dies aufgrund der Breite des Gehäuses auch bei diesen Radiatoren kein Problem. Zurzeit habe ich das Case mit nur zwei 140mm-Lüftern für Frischluft und vier 120mm-Abluft-Lüftern laufen und so, je nach individuell eingestellter PWM-Leistung, eher im negativen Airflow (Unterdruck). Ich werde den dritten Silent-Wing noch einbauen, um eher hin zu einem neutralen Airflow zu kommen und ein Ansaugen von Staub durch nichtgefilterte Öffnungen zu vermeiden.
Der Lieferumfang ist funktional und recht übersichtlich, und es wird leider der GPU-Riser vermisst. Das Stahlseitenteil ist mit einer Dämmmatte versehen und soll die Geräuschkulisse absorbieren helfen.
Haltbarkeit & Vergleich
Aufgrund der Kürze des Betriebs kann ich die Haltbarkeit noch nicht abschließend bewerten. Ich erwarte jedoch, dass sich das Case über mehrere Build-Generationen hinweg beweist und dass es im Zweifel erst aufgrund in Zukunft dann veralteter Standards zur Disposition steht, bspw. wenn man gerne USB4 im Frontpanel hätte, welches ja heute bisher noch kaum angeboten wird. Das Case steht, licht- und UV-geschützt, nicht in Fensternähe. Ich bin gespannt, ob und wann eine Vergilbung der weißen Farbe beobachtet werden kann.
Ein Pluspunkt, den ich sehr zu schätzen weiß, ist die Verfügbarkeit eines Ersatzteil-Angebots im be quiet! Shop, wo selbst Kleinstteile wie Schrauben nachbestellt werden können.
Alternative zu dem Dark Base 701 in Sachen Maximaler Airflow ist sicherlich das Shadow Base 800, welches einen 420mm Radiator aufnehmen kann, gleichzeitig jedoch auf ein invertierbares Mainboard Tray verzichtet und günstiger angeboten wird.
Fazit & Preis-/Leistungsverhältnis
Das be quiet! DARK BASE 701 hat durchaus seine Qualitäten, seien es die guten und leisen Lüfter Silent Wings 4 140mm PWM high-speed, die sogar in deren schnellen Version mit 1900rpm mitgeliefert werden, oder das Feature des invertierbaren Mainboard-Trays, welches sonst nicht so oft angeboten wird. So war es möglich, den Tower links vom Arbeitsplatz zu platzieren und das Seitenfenster auf die andere Seite zu wechseln und trotzdem die Einsicht zu behalten.
Insgesamt hätte ich mir einen besseren Lieferumfang gewünscht: Das Riserkabel für die vertikale GPU-Montage muss für nicht weniger als 50¤ extra im Handel erworben werden und gibt es dann nur in Schwarz. Ein HDD-Cage kostet 10 ¤ extra. Somit kommen wir auf ein Gesamtbudget, das sich in Richtung 300 ¤ bewegt. Dies ist angesichts der gezeigten guten Leistungen jedoch ein schwerer Brocken, den es zu verdauen gilt und der individuell mitunter nur schwer zu rechtfertigen sein mag.