Produkttester
Die Mindfactory AG und msi haben mir die msi Radeon RX 5600 XT Gaming X im Rahmen der Aktion Testers Keepers zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür! Es folgt anstatt einem generellen Review ein Review der Karte in meinen speziellen Anwendungsfall, bestehend aus der Nutzung eines Linux-Systems mit nur sporadischem Spielen.
*Testsystem*
Das Testsystem bestand aus:
- Prozessor: Intel i7-7700K gekühlt von EKL Alpenföhn Brocken ECO
- Arbeitsspeicher: 2x16 GiB Crucial Ballistix Sport LT DDR4-2400,
- Mainboard: msi Z270 SLI PLUS,
- Massenspeicher: 500 GB Samsung 960 Evo
- Netzteil: Cougar CM700W
- Display: 3x Dell U2415
Alle genutzten Betriebssysteme wurden für die Tests jeweils frisch installiert.
*Konstruktion, Optik und Allgemeines*
msi hat bei der Konstruktion der Karte ganze Arbeit geleistet. Sie fühlt sich hochwertig und robust an, verfügt über einen massiven Kühlköper mit zwei Lüftern und einem meinem Empfinden nach ästhetischen Design. Sie bietet drei DisplayPorts und einen HDMI-Anschluss -- es können maximal vier Displays gleichzeitig angeschlossen werden. Alle Anschlüsse und Steckverbinder sind bei Auslieferung durch Kappen geschützt, die Karte steckt -- wenig überraschend -- in einer ESD-Hülle. Die Packung enthält nur die Karte selbst, Hinweise zur Produktregistration und einen Umschlag mit Werbung, einer Installationsanleitung in Comic-Form und einer faltbaren, mehrsprachigen Anleitung. An der Oberseite der Karte ist eine kurze Leiste mit RGB-Beleuchtung angebracht, die, wenn man sie nicht konfiguriert, einfach durchgängig die Farbe wechselt. Auf dem Mainboard sollte ein freier x16-PCIe-Slot bereitstehen. Die Karte unterstützt den neuen PCIe Standard 4.0 und verfügt über 6 GiB DDR6 RAM. Insgesamt benötigt die Karte den Platz von etwas weniger als drei PCIe-Steckplätzen. Gleich zwei 8-Pin PCIe-Stromanschlüsse versorgen die Karte mit zusätzlicher Energie. Ich könnte mir vorstellen, dass diese beiden Stromanschlüsse noch ein Überbleibsel des Platinenlayouts der msi Radeon RX 5700 Gaming X sind. Die Rückseite der Platine ist bedeckt von einer Metallplatte, welche die strukturelle Integrität der Konstruktion erhöht, da das hohe Gewicht der Karte Verformungen der Platine begünstigen würde, die wiederum zu sich lösenden Lötstellen führen könnten. Außerdem dient die Metallplatte der zusätzlichen Ableitung von Wärme. Der Einbau ins Testsystem gestaltete sich einfach, wenn auch danach deutlich weniger Platz für die Kabelführung vorhanden war als mit der vorher verbauten msi Geforce GTX 750 Ti.
*Chip und BIOS*
Der Radeon RX 5600 XT ist, wie sein grosser Bruder, der RX 5700, ein Navi 10-Chip. Der RX 5600 XT verfügt jedoch nur über ein 192 Bit breites Speicherinterface, während beim RX 5700 ein 256 Bit breites Speicherinterface zum Einsatz kommt. Der Start des RX 5600 XT Anfang 2020 wurde überschattet von einem plötzlichen BIOS-Update von AMD und der dadurch entstandenen Verwirrung bei Herstellern und Nutzern. Während andere Hersteller schnellstmöglich neue BIOS-Varianten zur Verfügung gestellt haben, die auch den Speichertakt von 12 Gbit/s auf 14 Gbit/s erhöhen, hat msi bei der Gaming X einen konservativen Ansatz verfolgt -- ähnlich wie Asus bei den Karten ROG Strix und TUF Gaming X3, die erst im April offiziell eine Speichertakterhöhung erhielten. Da ich ein Anwender bin, dem viel an Systemstabilität gelegen ist, empfinde ich dieses Vorgehen als gerechtfertigt. Die Karte wurde in Windows 7 Professional mit dem LiveUpdate-Tool von msi auf das neuste BIOS geupdatet. GPU-Z gab danach erfreulicherweise einen Speichertakt von 1750 MHz an.
*Inbetriebnahme*
Der Bootvorgang von Ubuntu 18.04 LTS hing trotz HWE-Kernel noch vor dem Starten der grafischen Oberfläche. Hier war laut Fehlermeldung im Log der Treiber amdgpu ursächlich. Auch das Booten von Ubuntu 19.10 wurde durch einen ähnlichen Fehler verhindert. Nach der Installation der von AMD zur Verfügung gestellten Treiber für den RX 5600 XT vom 16. April 2020 in Ubuntu 18.04 LTS (hier wird offenbar nur 18.04 LTS unterstützt) mit dem mitgelieferten Shell-Skript, lies sich das System zumindest hochfahren und die grafische Oberfläche nutzen. Die drei baugleichen und per DisplayPort-Kabel an die Karte angeschlossenen Displays konnten problemlos mit xrandr konfiguriert werden. Für die restlichen Tests habe ich jedoch, um ein Multi-Monitor-Setup als Fehlerquelle ausschließen zu können, nur einen Monitor per HDMI angeschlossen. Um auch diesen Anschluss als Fehlerquelle ausschließen zu können, wurde bei auftretenden Problemen immer eine Gegenprüfung mit dem DisplayPort-Anschluss vorgenommen. Leider traten schon beim grafisch anspruchslosen Arbeiten im Window-Manager störende Effekte auf, wie zum Beispiel ein deutliches Stottern beim Verschieben von Fenstern. In der Menüführung des Spiels Counter Strike: Global Offensive (CSGO) machte sich ein weiterer Fehler bemerkbar: solange man die Maus bewegte, wurde das Bild nicht neu gerendert (0 FPS). Der Mauszeiger reagierte ausserdem extrem langsam. Ich habe mehrere verschiedene Funk- und Kabelmäuse und unterschiedliche Polling-Frequenzen getestet. Je niedriger die Polling-Frequenz, desto weniger ausgeprägt war auch der Fehler.
Die FPS in CSGO, ermittelt mit der Phoronix Test-Suite, jeweils für niedrigstmögliche (low) und höchstmögliche (high) Darstellungsqualität:
Auflösungen: 800x600, 1024x768, 1280x1024, 1600x1200, 1920x1080, 1920x1200
msi Geforce GTX 750 Ti, CSGO (low): 245.2, 241.5, 211.9, 160.1, 149.6, 140.4
msi Geforce GTX 750 Ti, CSGO (high): 222.1, 187.7, 150.3, 113.3, 105.6, 98.64
msi Radeon RX 5600 XT GAMING X, CSGO (low): 226.2, 225.5, 224.5, 223.1, 216.3, 218.2
msi Radeon RX 5600 XT GAMING X, CSGO (high): 210.7, 212.1, 209.8, 207.7, 202.3, 204.2
Die FPS-Ergebnisse für die GTX 750 Ti fallen erwartungsgemäß mit steigender Auflösung. Bei der RX 5600 XT Gaming X trat dieser Effekt nur sehr bedingt auf. Der leichte Anstieg von 1920x1080 zu 1920x1200 kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass 1920x1200 die native Auflösung des Displays ist. Dass die FPS für niedrige Auflösungen bei der alten Vergleichskarte noch höher sind als bei der neuen, zeigt höchstwahrscheinlich mehr die unterschiedliche (und bei NVIDIA offensichtlich bessere) Implementierung der Treiber als die Leistungsfähigkeit der GPU. Selbst zu spielen war mit der RX 5600 XT aufgrund ständiger kleiner Ruckler kaum möglich. Das vor einigen Tagen erst erschienene Ubuntu 20.04 LTS lies sich mit der Karte ohne Probleme starten, Anwendungen wie Textverarbeitung, Web-Browser und andere 2D-Applikationen ließen sich ordentlich nutzen. Die Probleme mit der Grafik von CSGO waren aber auch in 20.04 LTS weiterhin präsent. Interessanterweise trat der Fehler mit der langsam reagierenden Maus nicht immer auf, ungefähr eine Stunde lang lies sich das Menü ordentlich bedienen, bis der Fehler wieder auftrat. Während der Fehler auftrat, schrieb der amdgpu-Treiber periodisch Warnungen in das Systemlog. Eine Suche nach dieser Warnmeldung fördete einen Thread eines RX-5700-Besitzers zutage, der seit Monaten auf eine Lösung des Problems hofft. Da ich dieses eigentlich schöne Stück Hardware gern dauerhaft nutzen würde, war ich motiviert, weitere Tests durchzuführen. So wurde unter anderem mit dem Power-Management des amdgpu-Treibers und der Einstellung per power dpm force performance level herumexperimentiert. Auch der aktuellste Linux Kernel (5.7-rc2) wurde heruntergeladen, kompiliert, installiert und im Umfeld von 20.04 LTS gebootet. Zusammen mit power dpm force performance level auf high waren die kleinen Ruckler in CSGO verschwunden, dafür traten aber sporadisch große Ruckler auf, die das Spielgefühl ebenso störten. Auch der durch Mausbewegung provozierte Fehler kam immer wieder. Weitere Kernel der aktuellen amd staging drm next und drm next Entwicklungszweige konnten sich eines Tests nicht entziehen, aber hier traten ebenfalls die größeren Ruckler auf. Um die ordnungsgemäße Funktion der Karte festzustellen und damit Faktoren wie Hardware -- beispielsweise Netzteilprobleme oder einen Defekt der Karte selbst -- ausschließen zu können, habe ich zum Abschluss die Karte noch einem Funktionstest in Windows 10 Professional unterzogen. Wobei angemerkt werden muss, dass ich selbst über wenig Erfahrung im Umgang mit diesem Betriebssystem verfüge. Hier konnte die Karte endlich zeigen, was sie kann: keine Ruckler, flüssiges Gameplay, hohe FPS, Multi-Monitor-Unterstützung. Alles out of the box, nach Installation der bei AMD verfügbaren Treiber. Die Karte erwärmt sich selbst unter dauerhafter Volllast aufgrund der großzügig dimensionierten Kühlung nur marginal. Unter Volllast sind die Lüfter hörbar aber keinesfalls störend laut. Bei normalem Arbeiten, das die GPU kaum fordert, werden sie zudem abgeschaltet. Ein großes Plus für Anwender, die nur gelegentlich spielen und den Rest der Zeit eher die CPU als die GPU fordern.
*Fazit*
Mit dem aktuellen Ubuntu 20.04 LTS und dauerhaft auf high gesetztem power dpm force performance level lässt sich die msi Radeon RX 5600 XT Gaming X für produktive 2D-Anwendungen im Multi-Monitor-Setup nutzen. Ein besonders stabiles Gefühl, das man beim produktiv Arbeiten gern hätte, vermittelt der amdgpu-Treiber in seinem jetzigen Zustand mit plötzlich auftretenden Warnmeldungen im Systemlog allerdings nicht. Leider ist der amdgpu-Treiber momentan auch noch nicht so weit, dass die Karte zum problemlosen Spielen unter Linux geeignet wäre. Zwar bringt eine GPU von AMD im Vergleich mit NVIDIA den großen Vorteil mit sich, dass es mit amdgpu einen äußerst aktiv entwickelten, quelloffenen Linux-Treiber gibt, was allein schon das Karma erhöhen sollte. Benötigt man jedoch jetzt sofort eine Grafikkarte, die out of the box unter Linux funktioniert, sollte man sich eher nach einer Karte mit einer GPU von AMDs großem Konkurrenten NVIDIA umsehen und schweren Herzens die proprietären Treiber akzeptieren. msi hat mit der RX 5600 XT Gaming X jedenfalls das Beste aus der GPU gemacht. Die Konstruktion, Kühlleistung und Ästhetik sind exzellent. Ein oberflächlicher Test in Windows 10 förderte keinerlei Probleme zutage.