Verifizierter Kauf
Beim Silent Base habe ich mich zu Beginn gefragt "was wird hier genau silent sein?". Auf jeden Fall steht das Silent Base 802 mehr für seinen Namen wenn man sich bewusst für die Version ohne Glasfenster entscheidet, denn dann ist das linke Glaspanel stattdessen auch - wie auch auf der rechten Seite - eine undurchsichtige gedämmte Seitenwand. Da mir Funktionalität wichtiger ist, habe ich mich bewusst hierfür entschieden. In meiner Bewertung möchte ich unverblühmt, als auch fair, einige Dinge ansprechen (besonders für Neulinge), die meiner Meinung nach in anderen Reviews wenig Beachtung finden.
Der Aufbau: Im Großen und Ganzen wie erwartet, allerdings liegen viele Dinge im Detail, wo ich finde, dass hier und da klarere Instruktionen nicht geschadet hätten. Denn ich bin der Meinung, dass für blutige PC Anfänger hier einige Stolpersteine lauern können.
Beispielsweise die Abdeckung des Netzteils im unteren Bereich. Wenn man weiß wo man drücken muss, geht die Abdeckung leicht ab und man kann sie anschließend einfach rausziehen. Wenn man weiß wo. Die Anleitung von be quiet! ist hierbei leider zu simplistisch und lässt viele Dinge aus, oder ist sogar doppeldeutig (z.B. bei den abgebildeten Schrauben, aber mehr dazu später). Eine Erklärung wie man offiziell die Abdeckung entfernt findet man hier nicht. Versucht man dann zum Beispiel auf gut Glück die Abdeckung ganz links und rechts an den Seiten abzuziehen, so erkennt man, dass die Abdeckung mit dem Gehäuse durch Plastikmechanismen verbunden ist. Allerdings darf man dies nicht seitlich entfernen, da die Abdeckung sonst droht abzubrechen. Wer hier dann Gewalt anwendet, hat schnell seine erste ernste Frustration, denn man muss dies unbedingt von der Mitte (beim "be quiet!" Logo) heraus entfernen. Den einzigen offiziellen Hinweis findet man in einem Video von be quiet! bezüglich der Anbringung der Standfüße, da hier auch die Netzteilabdeckung entfernt wird. Man drückt quasi mit zwei Fingern feste in der Mitte und dann nach oben, um die Plastikverriegelung zu lösen. Die Abdeckung an sich ist stabil und sieht schön aus, aber es macht definitiv Sinn sie zu Beginn direkt zu entfernen, wenn man erstmal alles einbauen will.
Zum Staubfilter an der Front: Dieser ist wie erwartet lang und deckt den gesamten Bereich der Lüfter ab. Wenn man vor hat 3 Lüfter zu installieren, so ist hier keine Stelle ausgelassen - trotz dass von be quiet! nur 2 Lüfter vorinstalliert sind. Will man den Filter entfernen, so wundert man sich erstmal "ist der wirklich so feste dran?". Ja. Wenn man generell wenig Kraft anwendet, überrascht das einen beim ersten Mal. Von meinem Antec P100 wurde ich hier verwöhnt, da kann man einfach sanft runterdrücken und herausnehmen. Beim be quiet! Filter muss man teils sehr feste runterdrücken und leicht ziehen bis dabei ein lautes Plastikgeräusch entsteht. Die gute Nachricht für vorsichtige Leute: Man muss den Filter nicht so derart feste wieder installieren, er deckt auch alles ab wenn man ihn wieder "normal" einsetzt und reindrückt. Nach dem erneuten Installieren sollte man jedoch den Filter an allen Seiten etwas randrücken, da die Ränder etwas abstehen können. Unterhalb des Gehäuses ist auch langer Staubfilter vorhanden, diesen sollte man aber definitiv vorsichtiger behandeln, da er dünner ist. Bei der Handhabung habe ich den Eindruck gehabt, dass er empfindlich ist, denn der gesamte Filter biegt sich auch etwas nach unten wenn man ihn mit einer Hand geradeaus hält.
Zu den Seitenwänden: Die Wände per Tastendruck zu entfernen ist gleichzeitig nützlich, erfordert zu Beginn aber auch etwas Eingewöhnung, und vor allem auch Behutsamkeit. Sollte man hier mal Komplikationen haben, darf man nicht grob reagieren. Beispiel: Drückt man nur kurz auf den Knopf und will die Wand entfernen, aber die Seitenwand hat sich verhakt, so sollte man wiederholt den Knopf drücken und vorsichtig die Wand rausheben. Geht dies immer noch nicht, sollte man stattdessen versuchen die Seitenwand nach links anzuheben (nicht hoch oder zur eigenen Richtung), bis die Verriegelung loslässt. Für Beginner empfehle ich, dies zu Beginn direkt ein paar Mal zu üben (auch weil die Anleitung hier nichts direkt dazu sagt), denn wenn man alles eingebaut hat und es plötzlich ein Problemchen gibt beim Abnehmen des Panels hat, fühlt sich das gerne 10x unangenehmer an. Bonus: Man kann die Seitenwand anbringen ohne sie feste reinzudrücken, indem man den Knopf gedrückt hält während man die Wand anbringt, und dann loslässt.
Installation des Motherboards: Hat man ein mATX Motherboard gekauft, so wird es nötig sein wenige einzelne Abstandshalter an ihre richtige Position zu bringen. Be quiet hat hierfür Markierungen am Gehäuse angebracht, allerdings können diese für Anfänger auch verwirrend sein, denn ein mATX Board benötigt 6 Schrauben, aber es gibt 9 Markierungen. Man sollte sich daher von ihnen nicht beirren lassen. Größter Schwachpunkt: Möchte man keine Zange verwenden (Verkratzungsgefahr!) um die Abstandshalter zu entfernen, so braucht man einen passenden Sechskant-Mutterschraubendreher. Eine Sechskant-zu-Kreuz Adapterschraube ist leider nicht im Lieferumfang enthalten, wäre aber für ein Premiumgehäuse meiner Meinung nach angemessen gewesen. Um damit zum nächsten Punkt zu kommen:
Die Schrauben kommen in kleinen, ungelabelten Tüten. Die 3D Renderbilder in der Anleitung machen es auf den ersten Blick schwieriger zu erkennen, welche Schraube nun welche sein soll, denn z.B. die 6#32 Schraube ist gerundet und größter dargestellt als die HDD Schraube. Auch haben die inkludierten Schrauben diese große Kopfabrundung nicht. Ich hatte nach kurzem Testen keine Probleme herauszufinden welche nun die Richtige ist, und letztlich ist die HDD Schraube die man seitlich an den Festplatten reinschraubt eine andere als angegeben (die Daumenschrauben der HDD Cages). Das ist wieder so ein Detail wo ich mir denke, für einen Premiumpreis würde es nicht schaden sicherzustellen, dass die Anleitung nicht doppeldeutig ist, oder einen kurzen Text auf die Tüte zu drucken. Andere Hersteller können das auch. Netterweise gibt be quiet! noch eine zusätzliche Abstandhalterschraube hinzu, was in der Anleitung nicht erwähnt ist. Aber auf jeden Fall "nice to have". Kleine Notiz am Rande: Die Schrauben in die Abstandshalter für das Motherboard besser nicht zu feste reinschrauben, denn in einem Fall kam bei mir anschließend auch der Abstandshalter mit heraus.
Kabelmanagement: Weil das Gehäuse so wunderschön groß ist, ist das definitiv einer der größten Pluspunkte. Es gibt viele Aussparungen wo man z.B. Kabelbinder verwenden kann. Mir hat das vor allem hinten rechts gefallen, als ich das CPU Stromkabel hoch zum Mainboard routen wollte und durch den großzügigen Abstand zur "Decke" richtig viel Platz zur Verfügung steht. Wer beispielsweise schon Lüfter oben installiert und sich eventuell ärgert dass es hier zu eng wird, Glück gehabt - der Platz sollte noch frei genug sein um per Hand einfach hinkommen zu können. Das kann sich allerdings je nach Fall ändern wenn man schon einen CPU Kühler installiert hat. Das größte Limit beim Kabelmanagement sind also die eigene Fantasie und Kabelmanagement-Skills.
Der separate einzelne Hard Drive Cage: Das ist leider mein größtes "pet peeve" mit diesem Gehäuse, denn ob letztlich alles wirklich silent ist kommt auf die verwendete Festplatte (wenn man eine verwendet) und andere Faktoren an, z.B. der verwendete Cage Slot. Ich verwende eine Western Digital EZRZ Festplatte und wollte sie in den zweituntersten Slot installieren kann, da ich den untersten großen Cage nicht verwenden wollte. Trotz der Abkopplungsgummis verursacht diese Platte eine Resonanz, die die Seitenwand etwas brummen lässt. Als ich dann eine Seagate IronWolf installiert habe, war es nahezu still wie es sein sollte. Leute die nur SSDs verwenden kann dies egal sein, aber wer massig HDDs verwendet, sollte eventuell (für den "worst case") über zusätzliche Entkoppelung nachdenken und zusätzlich sicherstellen, dass auch alle Lüfter sauber entkoppelt sind, um die Sache eventuell nicht zu verstärken. Zusätzlich sollte man sich bei den HDD Cages auf die 4 Gummis beschränken, da mir aufgefallen ist, dass während mehr die Vibration dämpfen, die Platte selbst anfängt lauter zu werden. Ein Transfer der Geräusche zum Gehäuse an sich selbst scheint deshalb notwendig. Inwiefern das Design der Standfüße und der Kontakt zum Boden hierbei eine Rolle spielt, lässt sich für mich jedoch schwer beurteilen. Ich vermute, dass es in den meisten Fällen in Ordnung sein sollte, wollte die Sache aber mal erwähnen. Ich empfehle daher bei Verwendung von Festplatten vorzugsweise den untersten großen Hard Drive Cage am Boden zu verwenden (der große Cage hat zwei Plätze statt einen), und die Platte im oberen Platz zu befestigen, da die Festplatte so dann wirklich schwebt und am weitesten vom eigenen Ohr entfernt ist. Getestet habe ich dies allerdings nicht, da ich an der Stelle des großen Cages direkt Lüfter installieren wollte.
Zu der Dämmung: Man sollte im Hinterkopf behalten, dass es hauptsächlich höhere Frequenzen sind die besser gedämmt werden, z.B. Spulenfiepen oder höherklingendes Rattern von Lüftern. Das ist auch der Grund warum reine Messungen in Decibel nicht unbedingt der wahrgenommenen Geräuschentwicklung entsprechen. Die Dämmung an den Seitenwänden macht wenig gegen tiefe Unterfrequenzgeräusche die durch das Metall gehen. Man sollte deshalb auch daran denken Lüfter dementsprechend zu entkoppeln, wenn einem Stille 100% wichtig ist. Die vorinstallierten be quiet! Lüfter haben hierfür schon einen kleinen Gummiring. Die Vorderseite des Gehäuses ist abnehmbar und so kann man eine Wand für besseren Luftfluss installieren, oder man lässt die gedämmte Version dran. In der Praxis ist die Temperaturdifferenz größer als die der Geräusche wenn man die offene Gehäusefront verwendet. Aber will man die gedämmte Gehäusefront unbedingt dranlassen und trotzdem bessere Temperaturen, so empfehle ich, unten wenigstens noch einen zusätzlichen Lüfter zu installieren der auf statischen Druck fokussiert ist.
Zufällige Bemerkung zu den Standfüßen des Gehäuses: Ich habe zuvor in Kommentaren gelesen, dass diese es schwerer machen würden, das Gehäuse seitlich auf den Boden zu legen. Glücklicherweise ist das aber gar kein Beinbruch und in der Praxis nur ein bisschen schräg, und wenn man etwas unterlegt wieder vollständig gerade - ein kleiner Schlappen reicht schon aus.
Zu der Lüfterinstallation unterhalb der Netzteilabdeckung: Unten können technisch gesehen bis zu 3 Lüfter installieren, da dafür 3 Lüfterschienen vorhanden sind. Ein Platz wird aber vom Netzteil belegt, also bleiben 2 Plätze übrig. Und hier lassen sich problemlos 2x 120 oder 2x 140mm Lüfter installieren. Erwähnt die Bedienungsanleitung das? Kurioserweise nein, es wird stattdessen nur der Lüfterplatz überhalb der Netzteilabdeckung gezeigt. Bonus: Wer experimentierfreudig ist, kann inoffiziell auch 2x 120mm Lüfter (140mm wird dann sehr schwer mit der Befestigung) unterhalb des Grafikkarte platzieren, wenn man Kabelbinder clever verwendet. Die vorhandenen Luftlöcher sind nicht zum schrauben gedacht, erlauben aber, dass man zumindest mit Kabelbindern die Lüfter stramm an ihren Platz binden kann. Man kann in diesem Gehäuse also einige Lüfter mehr installieren (offiziell und inoffiziell), als be quiet! es angibt.
Lange Rede kurzer Sinn was ich als positiv und negativ empfinde:
+ Insgesamte Verarbeitung gut
+ Sehr viel Platz, erlaubt auch suboptimaleres Kabelmanagement
+ Lüftung sehr gut wenn man die maximale Anzahl an Lüftern installiert (viel hilft aber nicht automatisch viel)
+ Mehr Lüfter installierbar als offiziell angegeben
+ Austauschbare Panel und Hersteller bietet offiziell auch Ersatzteile an
+ Zusätzliche Dämmung ist toll wenn man absichtlich auf Glas verzichtet
+ Weiße Front LED und Festplatten LED sieht schön aus, An und Reset Taste fühlen sich wertig an, haben sehr gutes und festes Druckfeedback
- Anleitung, Instruktionen und Hilfestellung sind (zu) minimalistisch. Man merkt an einigen Stellen, dass Grundwissen und starker "common sense" erwartet wird, was sich vor allem an den schlichten 3D Abbildungen in der Anleitung zeigt. Die Informationen wieder etwas detailierter machen, wie be quiet! es auch bei früheren Gehäusen gemacht hat, wäre wünschenswert.
- Festplatten-Entkopplung und die im Gehäuse entstehenden Geräusche variieren je nach Festplatte und Slot unterschiedlich stark
- Etwas weniger Verwendung von Plastik und anderen Plastikmechanismen, einschließlich der Standfüße
- Adapterschraube für die Abstandshalter wäre für ein Premium Gehäuse dieser Art + den Preis angemessen gewesen